Beide Kinder sind verstopft. Seit Monaten. Beim Großen führt das dazu, dass er sich in die Hosen kackt. Seit November kratzen wir fast täglich die Scheiße eines vier- bis fünfjährigen aus Poritze und Unterhose. Wir lieben unser Kind, aber das macht einen fertig. Vor allem, wenn sich der kleine Hosenscheißer dann noch gegen unsere Reinigungsversuche wehrt, weil die irgendwie im Weg und unpraktisch sind. Shit hitting the fan.
Beim Kleinen führt die Verstopfung zu täglichen Presswehen beim Stuhlgang. Spitze Schreie und Tränen. Die ersten Male musste ich trotz allem Mitleid grinsen: siehste mal, so ist das. Mittlerweile ist der Witz weg, das Mitleid ist geblieben.
Und los geht’s mit den guten Ratschlägen: Birne. Pflaume. Flohsamen. Verhaltenstherapie. Nach einem halben Jahr Verzweiflung weiß ich: das Einzige, was wirklich hilft, ist naturtrüber Apfelsaft. Und zwar pur. Süß. Dick. Himmlisch. Das kommt im Muttiversum dem Anfixen gleich. Du gibst Deinem Kind Zucker? Böse Mama.
Hand aufs Herz: Wer hat mal Muttermilch probiert? Mein Mann hat sich geweigert, aber ich sage Euch, Muttermilch schmeckt SÜß. Wie Zuckerwasser mit einem ordentlichen Schuss Sahne. Kuhmilch ist dagegen eine herbe Eiweißbombe.
So, und noch eine Frage: Warum sind wir irgendwann von den Bäumen herabgestiegen? Bingo: Kohlenhydrate gewonnen, Hirn entwickelt, Homo sapiens sapiens. Oder Homo sapiens masochens:
Wenn ich eine gute Mutter sein will, brauche ich nur meinem Kleinkind den Zucker verweigern, und schon komme ich in den Muttihimmel. Wie praktisch. Da ist das Glaubenssystem schon mitgeliefert.
Der Denkfehler liegt in der vermeintlichen Suchtenthaltung: Hilfe, mein Kind wird abhängig von Zucker. Weg da, weg da. Irrtum: Das Kind will sich wohlfühlen, egal, um welchen Preis. Und, hallo, liebe Mit- Erwachsene, das ändert sich auch ein Leben lang nicht. Wenn es nicht der Zucker ist, entdeckt man andere Drogen: Milchkaffee zum Beispiel. Oder Serien. Oder Schnulzen. Die Lektüre derselben löst nämlich Wohlfühlhormone im Hirn aus, wie James Frey berichtet. Deswegen verkaufen sich die Bücher mit dem Nackenbeißer so gut.
Der Große trinkt jetzt jeden Morgen Apfelsaft pur. Dann setzt er sich aufs Klo. Mit einem spannenden Buch. Seitdem klappt’s mit dem Stuhlgang. Hauptsache, Zucker.