In den mittleren Jahren wird man gelassener, selbst was das Streben nach Genie und Größe angeht. Angeblich hat man selbst als Wissenschaftler seine wirklich originellen Ideen zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig Jahren – oder nie. Ich habe in besagtem Zeitraum meine Kinder bekommen. Der Große und der Kleine sind ausgesprochen originell und auch genial – aber sicher nicht ungewöhnlich. Manche Eltern wedeln noch begeistert mit der Hochbegabtenkarte – bis sie entweder in den Mühlen der höheren Bildung auf Granit beißen oder feststellen, dass die Intelligenz des Kindes gepaart ist mit Eigenheiten, die ganz und gar nicht glamourös und besonders förderungswürdig sind.
Ich denke oft daran, dass mein gesamter Freundeskreis mit zwanzig ziemlich hochfahrende Träume von einem Leben zwischen den Polen von Kreativität und Macht hatte. Die Rückkehr des Übermenschen im Individualistenformat. Ob es nun um die erfolgreiche Band, den Aktenkoffer auf den Gängen mit den Einzelbüros oder eben das literarische Fräuleinwunder ging, die Ziele waren magisch, hoch gesteckt und erfüllten ihren Zweck schon darin, dass sie unseren studentischen Bemühungen um Liebe, Job und WG-Zimmer einen besonderen Glanz verliehen. Jetzt sind selbst die erfolgreichen Kreativen in meinem Umfeld mit der Tatsache beschäftigt, dass es doch einen Nebenjob geben muss, dass andere Dinge doch wichtiger sein können, dass die Reise mit dem großen Ziel an ganz andere Stationen geführt hat, als man dachte – und dass es ziemlich anstrengend sein kann, etwas hinterher zu hecheln, von dem man nie eine konkrete Vorstellung hatte.
Irgendetwas daran macht mich ruhig, und das ist schön. Ich höre auf mit den großen Träumen und schreibe einfach weiter. Es ist sehr viel einfacher, und auch befriedigender, als halb verkrampft eine Kurzgeschichte für den nächsten Literaturwettbewerb zu verfassen, bei dem mit Glück etwas Geld und mit Pech etwas Freibier abfällt (oder gar nix, außer Portokosten). Dieses Schreiben ist integriert in einen Zusammenhang, der größer ist als ich.
Und das ist der eigentliche Erfolg.