Ab und zu ist es soweit: Mit einem Tunnelblick bewege ich mich durch die Welt und schaue, was muss aufgeräumt werden, was nicht. Mehr Kategorien gibt es nicht mehr, es ist ein grimmiges Sortieren, das keinen anderen Gedanken mehr zulässt und diffus befeuert wird von allgemeinem Unmut und dumpfer Verzweiflung. Der Aufräumpanzer rollt. Generationen von zwangsneurotischen Hausfrauen schauen mir über die Schulter und putzen mit mir durch eine Welt, in der jede Verschiebung eines Möbels oder sogar eines Spielzeugs einen Angriff auf meine äußere und innere Ordnung darstellen. Denn schließlich habe ich eben jenem Gegenstand gerade erst seinen Platz gegeben.

Beim Korrekturlesen kann ein ähnlich gefährlicher, gnadenloser Zustand eintreten. Jede idiomatische Wendung, jede Ellipse muss eliminiert werden. Der Text schrumpft auf eine Kette verbrochener Unordnungen zusammen, die ausgeflöht und gesäubert werden muss. Die Rechtschreibhilfe ist auf meiner Seite: unbekannte Wörter und unvollständige Sätze werden nicht akzeptiert, das Subjekt-Verb-Objekt-Schema muss bis zum letzten Satz durchgesetzt werden.

Oh, schöne Ignoranz! Du wunderbarer innerer Schweinehund! Wärst Du nicht vorhanden, was müssten meine Kinder, mein Mann, meine Texte leiden! In der Regel fange ich gar nicht erst an zu schreiben, wenn meine kontrollzwangsfixierte Seite übernommen hat. Jeder bereits in Worte gefasste Gedanke stellt dann sofort ein Kapitalverbrechen dar – und mein gesamter Haushalt sowieso. Mein Mann schaut mich dann übrigens an und sagt nur, „Ah. Schwäbi ist in the house.“ Wir haben uns netterweise darauf geeinigt, dass meine schwäbischen Wurzeln an dieser Stelle durchschlagen. Ich bin netterweise nicht für Schwäbi verantwortlich. Mit Schwäbi will ich nicht soviel zu tun haben; Schwäbi ist so unerträglich, dass selbst ich die Flucht vor mir selbst antrete, bis Fräulein Egal übernimmt.

Sie sagt dann als erstes: Worauf hast Du eigentlich gerade Lust?

Und alle atmen auf.